Kaum ein Thema in der Kommunalpolitik interessiert die Menschen so sehr wie die Schule. Zu Recht. Denn die Qualität der Schulen und damit der Bildung kann für den Einzelnen wie für die Gesellschaft als Ganzes nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Im Haushalt der Städte und Gemeinden sind die Schulen daher oft eines der wichtigsten Produkte. Sanierungsstand, Ausbau oder gar etwaige Schließungspläne mobilisieren die Bevölkerung. Gleichzeitig werden Bau, Instandhaltung und Betrieb der Schulen für immer mehr Gemeinden eine finanzielle Herausforderung. In den letzten Jahren kumulierten die Probleme: Neue Aufgaben, höhere Standards, Rekordinflation, Zuwachs an Schüler:innen, und das alles vor dem Hintergrund eines ohnehin umstrittenen Finanzierungssystems und nun auch noch rezessionsbedingt sinkender Einnahmen. Der „perfekte Sturm“ für die Haushalte der Gemeinden in NRW. Kein Wunder, dass die kommunalen Verbände das Land immer lauter auffordern, die Schulfinanzierung zu reformieren.[1] Doch was kosten Schulen die Kommunen wirklich?

In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen (NRW) und die Entwicklung der Schulträgerkosten. Aus der amtlichen Finanzstatistik sowie den Haushaltsplänen des Landes lassen sich nicht nur die Dynamik der Ausgaben, sondern auch Ausgabearten und die Zuweisungen des Landes ablesen. Im Ergebnis wird deutlich, wie groß die finanzielle Belastung der Gemeinden über die Zeit ist und worauf sich diese zurückführen lässt.

Die Aufgaben der Schulträger und deren Finanzierung

Das deutsche System Schule basiert darauf, dass das Land für Inhalte und Lehrpersonal (innere Schulangelegenheiten) und die Gemeinden für Infrastruktur und dessen Betrieb (äußere Schulangelegenheiten) zuständig sind. Diese historisch gewachsene Aufgabenteilung hat einiges für sich: Natürlich können die Gemeinden keine Lehrkräfte beschäftigten und ebenso kann das Land nicht tausende Schulgebäude betreiben. Gleichwohl hat sich die Wirklichkeit der Schulen über die Zeit geändert. In den vergangenen rund fünfzehn Jahren hat das Land die Standards der Infrastruktur und Ausstattung Schritt für Schritt erhöht; denken wir an Inklusion, Digitalisierung oder Ganztag. Andere Mehrbedarfe ergaben sich unter anderem aus den Folgen des migrationsbedingten Anstiegs der Schüler:innenzahlen (Ausbau der Schulen) und den zunehmenden sozialen Problemlagen der Schülerschaft (Sozialarbeit). So stellte auch der Abschlussbericht der durch das Land eingesetzten Transparenzkommission fest, dass sich die Rahmenbedingungen von Schule und die Anforderungen an Schule verändert haben. Die klassische Trennung in äußere und innere Schulangelegenheiten passe laut Transparenzkommission nicht mehr.[2] Infolgedessen stößt auch das traditionelle Finanzierungssystem an Grenzen.

Dieses Finanzierungssystem baut im Wesentlichen auf vier Säulen:

  • Über das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) zahlt das Land jährlich einen pauschalen Betrag an alle Schulträger anhand der jeweiligen Schüler:innenzahlen. Diese Schul- und Bildungspauschale soll der Kofinanzierung von Bau, Instandhaltung und Ausstattung dienen. Die Verwendung wird über einen Erlass des Schulministeriums geregelt und muss nachgewiesen werden.
  • Überträgt das Land den Gemeinden neue Aufgaben oder erhöht die Standards der Schulträgerfunktion, so muss es die daraus resultierenden Mehrausgaben jährlich, dauerhaft und vollständig erstatten. Dieses als „Konnexität“ bezeichnete Prinzip hat Verfassungsrang, ist in der Umsetzung aber notorisch strittig, denn über die entstehenden Kosten bestehen hinsichtlich der Höhe der Erstattung unterschiedliche Meinungen.
  • Zur Kofinanzierung von Bau und Ausstattung der Schulen legt das Land Jahr um Jahr diverse Förderprogramme auf. Deren Volumen, Verteilung und Voraussetzungen werden von den zuständigen Ministerien nach politischen Zielen und Haushaltslage angepasst. Diese Mittel müssen beantragt werden, fließen jeweils nur einmalig und bringen in der Regel eine Ko-Finanzierung durch die Kommunen mit sich.
  • Die aus den laufenden oder antragsbezogenen Transfers verbleibende Lücke wird aus allgemeinen Deckungsmitteln der Gemeinden gedeckt; also Steuern und die Schlüsselzuweisungen aus dem GFG.

Entwicklung der Schulträgerkosten in NRW

Um die Höhe und Entwicklung der Schulträgerkosten in NRW auf belastbarer Zahlenbasis näher beleuchten, erklären und in Relation setzen zu können, gilt es, sich zunächst auf eine Schulform festzulegen. Die Entscheidung fiel auf die Grundschulen, da dies die häufigste Schulart ist und fast alle Gemeinden in NRW als Schulträger betrifft.[3] Der Vorteil ist auch, klare Aussagen für einen Schultyp ableiten zu können, da sich die Kosten je Schultyp womöglich unterscheiden. Darüber hinaus betrifft der Ausbau des Ganztags die Grundschulen im besonderen Maße.

Die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden für diesen Schultyp (Produkt 211) lassen sich aus der amtlichen Finanzstatistik von IT.NRW jährlich ablesen. Aktuelle Daten liegen für das Jahr 2022 vor. Um Entwicklungstrends über die Zeit aufzuzeigen, gehen wir in der Zeitreihe zehn Jahre zurück.

Die Ausgaben des Landes für die Grundschulen finden sich in den Haushaltsplänen der einzelnen Jahre. Hier sind alle die Grundschulen betreffenden Titel mit der Funktionsziffer 112 versehen und somit identifizierbar. Die Titelbezeichnungen geben auch Hinweise auf entsprechende Förderprogramme oder Erstattungszwecke. Gleichzeitig werden auf diese Weise Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommune sichtbar, da bestimmte Ausgaben des Landes (Zuweisungen) wiederum Einnahmen der Kommunen sind.

Drei zentrale Ergebnisse im Überblick

  1. Ausgaben für Grundschulen wachsen seit 2015 exponentiell

Die erste Erkenntnis ergibt sich aus der der Gemeindeausgaben für die Trägerschaft des Produktes Grundschule. Offensichtlich haben diese Ausgaben seit 2015 eine ungeahnte Dynamik erfahren. Stiegen sie von 2012 bis 2015 um moderate zwei Prozent pro Jahr, betrug der jährliche Anstieg seit 2015 sieben Prozent. In Summe sehen wir mit 94 Prozent fast eine Verdoppelung der Ausgaben für Grundschulen binnen sieben Jahren.

 

Mit Blick auf die Ursachen kommen spontan Inflation und der migrationsbedingte Anstieg der Schüler:innenzahlen in den Sinn. Über den Großteil der Periode lag die Inflation sehr niedrig. Erst in den letzten Jahren stieg sie an und belief sich in Summe auf vierzehn Prozent. In einer ähnlichen Größenordnung bewegt sich der Anstieg der Schüler:innenzahlen. Von 2015 auf 2022 gab es einen Zuwachs von zehn Prozent, der statistisch vollständig auf Migration entfällt.

Aus Schüler:innenzahlen und Ausgaben lassen sich die Pro-Kopf-Ausgaben der Gemeinden für ihre Grundschulen kalkulieren. 2015 lagen diese bei 1.541 Euro, 2022 dann bereits bei 2.666 Euro: ein pro-Kopf-Anstieg von 73 Prozent.

Eine weitere Zahl für die Einordnung des gezeigten Ausgabenanstiegs ist der Vergleich zu den Gesamtausgaben der Gemeinden NRWs. Im Jahr 2015 machten die Ausgaben für Grundschulen 1,7 Prozent aus, im Jahr 2022 dann 2,4 Prozent.[4] Die Grundschulausgaben sind also deutlich stärker gewachsen als die Gesamtausgaben. Das fiel durch die konjunkturbedingt hohen Zuwächse bei Steuern und Zuweisungen bis dato nicht ins Gewicht. Da diese Einnahmedynamik einbricht, aber nichts auf einen Rückgang der Schulkostendynamik hindeutet, laufen die Gemeinden mit Vollgas in die roten Zahlen.

Wir stellen somit fest: Die absoluten Ausgaben für Grundschulen sind sehr stark gestiegen, ebenso die Pro-Kopf-Ausgaben und der Ausgabenanteil in den Haushalten per se. Diese Dynamik ist im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld für die Gemeinden nicht mehr tragbar.

  1. Ausgabenarten für Grundschulen

Die Gesamtausgaben für Grundschulen sind über die Zeit, insbesondere ab 2015, stark gestiegen. Die Finanzstatistik erlaubt auch einen Blick in die Ausgabenstruktur. Die Abbildung 2 vergleicht die Gesamtausgaben aufgeschlüsselt nach den wichtigsten sechs Ausgabearten.

Für die Grundschulen benötigen die Gemeinden eigenes Personal, klassischerweise Schulverwaltung, Sekretariate, Hausmeister. Etwas unscharf wird das Bild bereits bei pädagogischen oder erzieherischen Beschäftigten, die teils auch beim Land oder über einen freien Träger beschäftigt sind. Im Zeitvergleich steht ein Ausgabenzuwachs von 30 Prozent. Dahinter können durchaus nur Tariferhöhungen und nicht automatisch eine höhere Anzahl der Stellen stecken. Wir sehen aber auch, dass Schulträger finanziell eher wenig für Personalkosten aufwenden müssen.

Deutliche Anstiege gab es in den Rubriken Instandhaltung, Investitionen und Zuweisungen an Dritte. Letztere haben sich mehr als verdoppelt, da viele offene Ganztagsgrundschulen (OGS) in freier Trägerschaft sind. Zur steigenden Personalintensität gesellten sich hohe Tarifzuwächse.

In der Kategorie Instandhaltung kann man einen Zuwachs an Aktivitäten vermuten, die aus der Statistik heraus jedoch nicht eindeutig zu identifizieren sind. Es gab in NRW bekanntlich einen gewissen Rückstand. Wahrscheinlich schlägt sich hier aber auch die Inflation der Handwerkskosten nieder. Noch sichtbarer wird dies in der Rubrik Investitionen, Bau, Anschaffungen. Diese Ausgaben sind im Jahresvergleich um mehr als das Sechsfache gestiegen. Gleichwohl kann man diese Zahl in der Sache erst einmal positiv interpretieren. Die Gemeinden bauen offenbar in Größenordnungen und das nicht nur in einzelnen Jahren, sondern dauerhaft. Der Bedarf an Ausbau der Schulen, Neubau von Ganztagsräumlichkeiten und deren Ausstattung ist unbestritten und wurde offenbar von den Gemeinden angegangen. Hilfreich waren sicherlich auch die diversen Bund-Länder-Förderprogramme.

Der Sprung in den Investitionen erklärt allein fast die Hälfte des Ausgabenanstieges im Jahresvergleich 2015 zu 2022. Klar ist: Der Ausbaubedarf wird noch ein paar Jahre anhalten, und damit auch der hohe Finanzbedarf der Gemeinden.

  1. Zuweisungen des Landes steigen

Das Land NRW leistet Jahr um Jahr einige Transfers an die Gemeinden, um die Finanzierungslasten der Grundschulen zu mindern. Dies sind die Transfers aus Konnexität, Förderprogrammen und die Schul- und Bildungspauschale im GFG. Für jeden Tatbestand der Konnexität und für jedes Förderprogramm existiert ein eigener Transfer. Die Gemeinden tragen die aufgezeigte Ausgabendynamik somit nicht allein.

Um zu ergründen, welche Beträge das Land an die Gemeinden transferiert, steigen wir in die Tiefen der kameralen Haushaltssystematik ein und suchen die betreffenden Titel. Glücklicherweise müssen wir nicht jeden der 8.661 Titel einzeln begutachten, sondern nur jene mit der Funktionsziffer 112 (Grundschulen), rund 20 Stück. Mit Blick auf die Gruppierung (Ausgabeart, 613 und 633) und die jeweiligen Beträge ist für das Jahr 2022 eigentlich nur ein Titel relevant: 472 Millionen als Kostenerstattung für den Ganztag. Dieser Transfer hat sich seit 2015 verdoppelt, logisch angesichts des Ganztagsausbaus.

Das Land würde natürlich sofort einwenden, dass dies ja noch nicht alles sei! Das stimmt. Aber die anderen Transfers lassen sich schwer den Grundschulen zuordnen. So werden einige Konnexitäten für mehrere Schultypen gemeinsam abgegolten (z. B. Schüler:innentransport, Inklusion). Auch die Schul- und Bildungspauschale, die auf beachtliche 748 Mio. Euro angestiegen ist (2018 noch 609 Mio. Euro), fließt für alle Schulen. Da dieser Betrag aber nach Schüler:innenzahlen auf die Kommunen verteilt wird, kann man vielleicht ein Drittel den Grundschulen zuschreiben, also 250 Mio. Euro.

Von den 1.808 Mio. Euro Kosten für die Grundschulen würde nach dieser vorsichtigen Kalkulation das Land somit rund 40 Prozent finanzieren.

Was können wir aus dem Blick auf die Zahlen lernen?

Zuerst einmal geben die Zahlen aus der Statistik und den Haushaltsplänen einiges her, was bis dato noch wenig genutzt wurde. Das Wehklagen der Gemeinden ist anhand der enormen Ausgabendynamik nachvollziehbar und begründet. Der größte Faktor für diesen Ausgabenanstieg sind die Investitionen der Gemeinden in Gebäude und Ausstattung. Dies ist für sich durchaus eine positive Erkenntnis, bedeutet es doch, dass zumindest die räumliche, infrastrukturelle Qualität der Grundschulen steigt. Neben Investitionen in die Energieeffizienz können pädagogische Anforderungen an Schulräume realisiert werden. Und auch das Land kann einiges an finanziellem Beitrag für sich reklamieren, wobei die Beträge nicht ganz klar sind.

Offen bleiben die wahrscheinlich großen Ausgabendifferenzen zwischen einzelnen Gemeinden, die bei allen Produkten auftreten. Aus der Finanzstatistik bleibt auch offen, wie hoch die weiteren „versteckten“ Kosten der Gemeinden ausfallen, die in der Sache zum Produkt Grundschulen gehören, aber über andere Produkte (z. B. Jugendhilfe) verbucht werden. Dies kann insbesondere in Gemeinden mit hohen sozialen Belastungslagen große Kosten verursachen. Zu den Fragen, wie unterschiedliche Gemeinden mit der Ausgabendynamik umgehen, wie viel finanzielle Mittel arme Gemeinden überhaupt aufbringen können und welche Folgen unterschiedliche Ausgabenniveaus für die Schulqualität haben, bleibt zu untersuchen.

 


[1]             Gemeinsame Pressemitteilung der kommunalen Spitzenverbände vom 10.02.2023

[2]             Transparenzkommission 2021, S. 97f

[3]             Gemäß der Finanzstatistik von IT.NRW wiesen im Jahr 2022 386 von 396 Gemeinden Auszahlungen in der Produktgruppe 211 aus.

[4]             Im Jahr 2015 beliefen sich die Gesamtausgaben der Gemeinden auf 56 Mrd. Euro, im Jahr 2022 auf 75 Mrd. Euro. Quelle: IT.NRW

 

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