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Antworten und Gedanken zu “Drei Fragen an MILLA” von Ulrich Schmid
Wir freuen uns über die breite und durchweg konstruktive Diskussion, die unser Vorschlag zum lebensbegleitenden Lernen für Alle – MILLA – angeregt hat. Oft wird positiv bewertet, dass wir „den Fokus endlich einmal auf die Weiterbildung richtet und den vielen Absichtsbekundungen Taten folgen lassen“ wollen.
Wir glauben auch, dass vor allem schnelles Handeln kritisch für den Erfolg sein wird. Und in diesem Sinne ist MILLA sicherlich auch noch kein abschließendes Konzept, welches bereits jetzt alle Fragen abschließend beantwortet, sondern eher ein konkreter erster Schritt in die richtige Richtung. Und wie das bei agilem Arbeiten so ist, werden wir bei der Umsetzung lernen und laufend weiter verbessern (sollen/können/müssen). Eine Frage ist z.B., wie für dieses Vorgehen der passende rechtliche und praktische Handlungsrahmen für die Umsetzung von MILLA geschaffen werden kann, damit MILLA am Ende eben nicht „an ein ‚eGovernment’-Portal einer durchschnittlichen deutschen Großstadt erinner“1.
In seinem Artikel “Drei Fragen an MILLA” wirft Ulrich Schmid wichtige Fragen auf, die wir hier beantworten wollen.
1. Wie umgehen mit der Heterogenität des digitalen Lernens?
Wir halten Vielfalt in Inhalt, Didaktik und Darreichung für eine notwendige Voraussetzung erfolgreichen Erwachsenenlernens. Menschen lernen unterschiedlich und eine Plattform „für Alle“ muss deswegen offen sein für möglichst viele Varianten. Ein Missverständnis wäre, wenn MILLA so verstanden wird, dass alle Kurse auch auf der MILLA Plattform gehostet werden (müssen). Alle Kurse müssen über MILLA zugänglich sein und die Lernerfolge/erworbene Kompetenzen müssen verlässlich in MILLA nachgehalten werden können. Die Kurse können aber vom Kursanbieter gehostet und mit Software seiner Wahl erstellt, gepflegt und verwaltet werden. Es ist unwahrscheinlich, dass eine zentrale MILLA Plattform jederzeit eine bessere Lösung für Lernsysteme bietet als der Markt. Also sollten wir da Vielfalt zulassen – auch wenn dies, wie im Artikel angemerkt, innerhalb von unterschiedlichen Kursen zu unterschiedlichen Interfaces und User Experiences führt. In diesem Markt dürften sich auf Dauer die besten Konzepte durchsetzen – nach Nutzerbewertung und Relevanz sowie Effektivität des Kurses – und über Zeit zu einer weitgehenden Vereinheitlichung der Nutzererfahrung führen.
2. Was wenn zu wenige oder zu viele Inhalte zu bestimmten Themen angeboten werden?
Wir denken das die Nutzerbasis auf MILLA für Kursanbieter so interessant ist, dass auf diese auf eine neue entstehende Nachfrage schnell mit einem entsprechenden Angebot reagieren werden. Schließlich entfallen für Anbieter bei MILLA die sonst üblichen customer acquisition costs. Wenn bereits jetzt für einige Themen Mangel besteht (der Artikel nennt z.B. IT-Security, Microservices) dann wird MILLA den Mangel nicht verschlimmern sondern eher verbessern, da die Nachfrage gebündelt und transparent gemacht wird.
Wenn es für einen relevanten Themenbereich viele gute Lernangebote gibt, so ist dies erst mal zu begrüßen. Schließlich erhöht dieses die Chance, dass den vielen unterschiedlichen Lernpräferenzen der potentiell über 50 Millionen Nutzer ein entsprechendes Angebot gegenübersteht. Aufgabe des MILLA-Algorithmus wird sicherlich sein, jedem Nutzer die für ihn passenden Angebote anzubieten. Insbesondere in der Startphase der Plattform und für neue Kurse erwarten wir da keine zu große Einschränkung aufgrund von historischen Ergebnissen (Lernerfolge, Nutzerbewertungen) – denn diese liegen für diese Fälle ja nicht vor – und somit sollten alle Kurse hinreichend sichtbar sein und eine faire Chance bekommen. Ein ähnliches Problem löst die Sortierung bei jedem erfolgreichen online Händler – die auf einer Seite die Balance zwischen Waren, die sich sicher gut verkaufen und neuen Waren zu schaffen. Das ist also grundsätzlich lösbar. Fokus und Ziel von MILLA ist der Lernerfolg der Nutzer.
3. Wer kann MILLA (kostenlos) nutzen und was bedeutet das für den Weiterbildungsmarkt?
Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn sich viele Menschen weiterbilden. Dass sich „zu viele“ Menschen bilden ist somit kein Problem an sich sondern das Ziel. Da nur erfolgreich abgeschlossene Kurse vergütet werden, ist das Missbrauchspotenzial gering, wenn diese Kurse sicherstellen, dass auch gelernt und nicht nur „durchgeklickt“ wird. In einem ersten Schritt würden wir MILLA allen Bundesbürgern zur Verfügung stellen. Eine Legitimation könnte z.B. über das Bürgerkonto oder einen alternativen Weg erfolgen wie z.B. bei der Eröffnung eines Bankkontos. MILLA könnte dann auf in Deutschland lebende Ausländer erweitert werden. Insbesondere wenn diese dauerhaft Teil unserer Gesellschaft sind, Deutsch beherrschen, und hier arbeiten und Steuern zahlen macht dieser Schritt für alle Beteiligten Sinn.
Zur Zulassung und Qualitätskontrolle merken wir an, dass es Sinn macht möglichst großzügig zu verfahren und viel Angebot zuzulassen. In einem transparenten Markt werden sich die besten Angebote durchsetzen. Nichtsdestotrotz ist es wichtig einzelne Kurse und/oder Anbieter von der staatlichen Subvention ausschließen zu können, schließlich hat der Steuerzahler ein Recht darauf, dass sein Geld nicht für unsinnige oder nicht-effektive Kurse ausgegeben wird. Konkrete Kriterien sind im weiteren Umsetzungs-Prozess zu entwickeln und fortlaufend weiterzuentwickeln. Die grundsätzliche Relevanz bestimmter Themen/Skills wird anfangs durch Analysen festlegt (ähnlich z.B. der Australischen National Skills Needs List) später wird die automatische Analyse der Nachfrage ein wesentlicher Faktor werden. Zum anderen braucht es sicherlich pro „Fachbereich“ spezielle Gremien, welche die Qualität und Effektivität der Kurse beurteilen können. Ausgeschlossen sind sicherlich strafbare und sittenwidrige Inhalte.
Auch bei anderer staatlich finanzierter Infrastruktur gibt es Regeln. So darf grundsätzlich jedes Fahrzeug gebaut werden, solange niemand Schaden nimmt. Wenn damit öffentliche Straßen befahren werden sollen, werden bestimmte Anforderungen (z.B. technische Fitness) geprüft, die sich über Zeit nach Stand von Forschung und Technik weiterentwickeln. Werden die Kriterien irgendwann nicht mehr erfüllt, muss das Fahrzeug zum Wohle aller aus dem Verkehr gezogen werden.
Die Entscheidung, wer als Anbieter nach welchen Kriterien mit welchem Kurs zugelassen wird und wer nicht, muss letztendlich beim Staat liegen, der die Verantwortung für das Erreichen des Zieles einer breiten und attraktiven Weiterbildung trägt. Er wird ein großes Eigeninteresse haben, ein möglichst breites Angebot bereit zu stellen, d.h. wir freuen uns auf die Beteiligung der bereits aktiven und hoffentlich auch neuer Player aus dem Weiterbildungsmarkt.
Die drei Fragen teile ich uneingeschränkt. Ich würde noch eine Forderung ergänzen: Bitte nicht den Weiterbildungsmarkt noch stärker regulieren – die Gefahr besteht ja durchaus. Eine bundesweite Weiterbildungsplattform im Netflix Stil, die öffentlich finanziert ist, sollte nicht das Innovationsproblem der Weiterbildungsanbieter lösen. Diese sind nämlich träge in diesem Bereich, weil ihre Finanzierung viel zu stark an Präsenztagen orientiert ist. Neue Geschäftsmodelle gehen sie nicht an, weil sie Sorge haben, dass ihre Maßnahmen dann nicht mehr die Förder- und Finanzierungskriterien der öffentlichen Hand erfüllen.