Das Internet ist heute ein wichtiges Hilfsmittel für jedermann, auch für Personal an Schulen. Doch wofür genau verwenden die Lehrkräfte das neue Medium, und welche Möglichkeiten bleiben bisher ungenutzt?
Jäger und Sammler
Die meisten KollegInnen sind eigentlich ständig auf der Suche nach Anregungen, Materialien, Konzepten für ihren Unterricht. Während früher in erster Linie Fachbücher und -zeitschriften, Zeitungen, Materialsammlungen der Schulbuchverlage als Quelle dienten, ist heute das Internet ein populärer Fundort für Inhalte unterschiedlichster Couleur und Qualität. Lehrer sind laut einer Studie des mmb (Institut für Medien- und Kommunikationsforschung) aus dem Jahr 2008 längst in der digitalen Welt angekommen:

„Nachdem sie lange Zeit mit dem Computer und dem Internet eher zurückhaltend umgingen, nutzen mittlerweile 90 Prozent der Lehrer Computer und Internet zur Unterrichtsvorbereitung; damit ist das Internet ein wichtiges Werkzeug der Lehrer.“

Welche Möglichkeiten bietet das Mitmachnetz?
Hoch im Kurs stehen dabei die Bildungsserver der Länder, die Internetangebote der Schulbuchverlage, aber auch Lehrerportale wie etwa Lehrer Online, ZUM e.V., 4teachers, die mit zigtausenden von von Lehrkräften selbst verfassten Beiträgen aufwarten. Zudem lässt sich beobachten, dass auch LehrerInnen die Social Networks für sich entdecken und zunehmend mit eigenen Blogs in Erscheinung treten (siehe Blogroll auf der rechten Seite oder die Übersicht auf Lehrerfreund.de).
Technologien wie Blogs, Micro-Blogs, Foren, Wikis, Videoplattformen und soziale Netzwerke sind besonders gut geeignet, um miteinander in Kontakt zu kommen, Informationen zu Schule und Unterricht auszutauschen und zu bewerten, sich miteinander zu vernetzen und zu schulischen Themen zu kooperieren. Werden diese Möglichkeiten aber auch von Lehrkräften genutzt? Wie ist es um die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch von Lehrern im Web bestellt? Diese Frage beschäftigt offenbar nicht nur mich alleine. So bin ich unlängst im Schulblog einer Kollegin aus Bayern über folgenden Passus gestolpert:

„Warum nutzen wir Lehrer die Möglichkeiten des Internet nicht für mehr Austausch und Information zur Unterrichtspraxis? Theorie ist interessant und wichtig, hat aber wenig Bedeutung, wenn sie nicht in die Praxis umgesetzt wird. Ich wünsche mir ein Forum, ein Blog, ein Wiki für den Austausch von praktischen Erfahrungen und Ideen. (… ) Vielleicht fühlt sich ja auch jemand angesprochen und in der Lage ein Austauschorgan für Praktiker ins Leben zu rufen oder Ideen dazu zu liefern.“

Neue Lernkultur und neue Kooperationsformen
Dieser Beitrag hat mich in der Tat angesprochen – auch, weil ich gemeinsam mit einigen Kollegen ein Wiki innerhalb der ZUM-Wiki-Familie der Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet (ZUM e.V.) eingerichtet habe, welches genau diesen Zweck erfüllen soll: Es soll eine zentrale Anlaufstation für Lehrkräfte aller Schulformen und -stufen sein, die den Austausch von praktischen Erfahrungen und Ideen und die Verbreitung von guten Beispielen ermöglicht. Dabei soll es weniger darum gehen, für jedes einzelne Unterrichtsfach Inhalte, Methoden und Materialien bereitzustellen. Vielmehr soll es um die Frage gehen, wie ein zeitgemäßer Unterricht gestaltet werden kann, der der zunehmenden Heterogenität der Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen Rechnung trägt: Wie können wir lernen, konstruktiv mit dieser Vielfalt umzugehen? (Stichwort „neue Lernkultur“, die auf individuelle Förderung ausgerichtet ist). Und welche vielfältigen Möglichkeiten des (individualisierten, selbstgesteuerten, kooperativen) Lernens gibt es in heterogenen Klassen? Die Antworten sollen aus den Schulen kommen – von Lehrerinnen und Lehrern, die den Mut haben, neue Wege des Lehrens und Lernens zu gehen. Vielleicht bekommt ja der / die eine oder andere nach Lesen dieses Beitrags Lust, mitzumachen?! Hier der Link: www.vielfalt-lernen-wiki.de
Meins bleibt meins. Oder: Von der Angst, zu teilen
Leicht wird das gewiss nicht, wie ich neulich auf einer Lehrerfortbildung in Münster erfahren durfte: Hier berichteten engagierte Kollegen davon, dass sie auf der Arbeitsplattform lo-net2 (www.lo-net2.de) gemeinsam Materialien zum kooperativen Lernen entwickelt hatten. Echte Teamarbeit! Auf Nachfrage stellte sich allerdings heraus, dass die Bereitschaft, diese Inhalte mit Lehrern anderer Schulen zu teilen bzw. öffentlich zur Verfügung zu stellen, nicht vorhanden war – die Materialien liegen in einem geschützten Bereich der Plattform, der nur wenigen zugänglich ist. Meine Vermutung ist, dass dieses Beispiel kein Einzelfall ist: Viele Kollegen haben einen extrem hohen Anspruch an sich und ihre Arbeit und wollen nichts Halbgares oder Unvollkommenes veröffentlichen, selbst wenn es bereits einen hohen Reifegrad hat. Einige fürchten vielleicht auch, dass andere die Lorbeeren für ihre Arbeit ernten könnten. Zudem stehen viele Schulen zunehmend in Konkurrenz zueinander und geben innovative Ansätze zur Schul- und Unterrichtsentwicklung aus diesem Grund nicht weiter. Ich finde das sehr bedauerlich und hoffe, dass sich einige dieser Befürchtungen ausräumen lassen. Ein Wiki bspw. bietet ja gerade eine gute Grundlage, um schnell und ohne große technische Hürden Inhalte zu veröffentlichen. Diese Inhalte müssen noch nicht perfekt sein. Sie können sukzessive ergänzt und weiter bearbeitet werden – gerne auch arbeitsteilig und in Abstimmung mit anderen… die Wikipedia oder auch das ZUM-Wiki sind gute Beispiele, wie fruchtbar eine solche Zusammenarbeit sein kann.
Frage an die geneigte Leserschaft: Ist die derzeitige Lehrergeneration kooperationsbereit und teamfähig? Und bietet sich das Internet überhaupt als Ort des Erfahrungsaustausches an – oder ist die persönliche Begegnung das, was wichtig ist und zählt?
Diese und weitere Fragen möchte ich übrigens auch im Rahmen von zwei Veranstaltungen mit Lehrerinnen und Lehrern diskutieren: Im Rahmen der Summer School „Individuelles – Lernen kooperativ gestalten“ am 23. + 24.09.2010 in Münster und auf der Regionalkonferenz am 06.11.2010 in Paderborn. Sehen wir uns dort??