Am Dienstag habe ich einen interessanten Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Baumert (Max-Planck-Institut Berlin, der als „Mr. PISA“ bekannt geworden ist) an der Universität Bielefeld gehört. Sie fand im Rahmen der Ringvorlesung „Ungleichheit in der Gesellschaft und Ungleichheit in der Schule“ statt und nahm die immer brandaktuelle Frage nach „der besseren Schulstruktur“ in den Blick.
Es ist wirklich spannend, wie intensiv die Bildungsforschung in den letzten Jahren daran gearbeitet hat, die Lernentwicklung von Schülern der verschiedenen Schulformen sichtbar und vergleichbar zu machen. Da gibt es so viele Faktoren zu berücksichtigen! Die Leseleistung einer Schülerin der achten Klasse hängt zum Beispiel nicht nur davon ab, wie gut der Unterricht ist, sondern auch davon, wie oft sie Zuhause zur Lektüre greift, von welcher Qualität ihr Lesestoff ist – und von ganz vielen weiteren Einflüssen.
Das Kreuz mit der Empirie
Insofern ist es kein Wunder, dass nur für ganz wenige, isolierte Merkmale überhaupt ein Effekt in Bezug auf die Schülerleistung empirisch nachweisbar ist. Klassenführung ist eines dieser Merkmale, bei dem man ziemlich sicher einen Einfluss auf die Lernentwicklung von Schülern erkennen kann. Über die „beste“ Schulform ist damit aber immer noch nichts ausgesagt. So leicht ist es mit der Empirie eben nicht!
Prof. Baumert hat in seinem Vortrag über „differenzielle Lernmilieus“ noch auf einen sehr spannenden Punkt aufmerksam gemacht: Die Ausbildung der Lehrer hat vermutlich einen Einfluss auf die Lernkurve der Schüler. Das hätte weit reichende Implikationen: In Deutschland ist die Lehrerausbildung traditionell schulformspezifisch organisiert, das heißt, ein Gymnasiallehrer ist anders ausgebildet als ein Real- oder Hauptschullehrer. Hier sieht Baumert ein Problem, wenn über die Zusammenlegung von Schulstrukturen diskutiert wird: Durch die unterschiedliche Ausbildung liegt es nahe, dem Gymnasiallehrer weiterhin nur die fordernden Kurse zu übertragen, während der Unterricht in leistungsschwächeren Kursen vielleicht auch weiter von für die Haupt- und Realschule ausgebildeten Lehrern übernommen wird. So würde aber die Teilung der Schülerschaft nur formal aufgehoben, innerhalb der „Schule für alle“ bliebe eine Separierung der Lerngruppen erhalten.
Ohne einheitliche Ausbildung bleiben gleiche Chancen für alle Schüler eine Illusion
Sinnvoller wäre es, alle Lehrer nach denselben Kriterien auszubilden. Fachwissen und Fachdidaktik beeinflussen das Lernverhalten von Schülern positiv – nicht nur am Gymnasium. Die Pädagogik darf dabei nicht vernachlässigt werden, sie wird aber bislang stärker in der Ausbildung von Haupt-, Grund- und Förderschullehrern berücksichtigt. Wenn wir aus all diesen verschiedenen Studiengängen die besten Elemente in einer einheitlichen Lehrerausbildung vereinen können, würden dann nicht die Schüler aller Schulformen profitieren?