Die aktuelle PISA-Studie belegt es erneut: Die soziale Herkunft von Kindern und Jugendlichen wirkt sich in Deutschland nach wie vor gravierend auf ihre Bildungskarrieren aus. Wie kann man diesen problematischen Zusammenhang, den Marianne Demmer, Vize-Vorsitzende der GEW, als „soziale Spaltung in der Bildung“ bezeichnete, entschärfen?

Eine Fensterschule ist offen für alle!
Eine Fensterschule ist offen für alle!

Schon in den 1990er Jahren haben sich die Niederländer diese Frage gestellt. Anregungen, um die unselige Kopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg zu entschärfen, lieferten unter anderem amerikanische Community Schools: Nach ihrem Vorbild sollten schulische Bildung und Einrichtungen der Kommunen für eine bessere Versorgungs- und Beratungsleistung unter einem Dach vereint werden. 1996 wurde in Groningen die erste „Vensterschool“ eröffnet.
Lernen in Nachbarschaften
Die Bezeichnung dieser speziellen Schulen als „Fensterschulen“ verdeutlicht ihre Offenheit gegenüber der Nachbarschaft. Fensterschulen bilden eine Art Knotenpunkt für das soziale Miteinander von Kindern und Familien in der Umgebung. Neben einer Schule für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre beherbergen sie in der Regel auch eine Kindertagesstätte und diverse Einrichtungen des kommunalen Lebens wie z.B. Bibliotheken und Jugendhilfeeinrichtungen. Die Vensterschool ist auch eine Anlaufstelle für Familien, in der Beratungsleistungen in sozialen Fragen in Anspruch genommen werden können. Zudem gibt es Aktivitäten oder Projekte aus dem Kultur- und Sportbereich. Insgesamt spannt sich so ein Netz an Angeboten über den Tag, das Kinder, Jugendliche, ihre Eltern und interessierte Stadtteilbewohner in Anspruch nehmen können.
Auch in Deutschland mehren sich Ansätze, die Vernetzung von Schulen mit externen Partnern aus der Jugend- und Sozialarbeit voranzutreiben. In Hamburg gibt es beispielsweise seit diesem Jahr so genannte Stadtteilschulen, die (als eigenständige Schulform) vom Hauptschulabschluss bis zur Hochschulreife vielfältige Bildungswege eröffnen – in enger Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen und ortsansässigen Betrieben und Unternehmen. In Bremen beteiligen sich Schulen wie die Grundschule Robinsbalje aktiv am Quartiersmanagement (mehr dazu gibt es schon bald hier auf dem Blog). Wenn bisher auch nur wenige so stark einem Bürgerzentrum ähneln wie in den Niederlanden: Immer mehr Schulen werden auch hierzulande zu Anlaufstellen des kulturellen und sozialen Lebens.
Eine „Continuous Line of Learning“
Die Vernetzung innerhalb regionaler Bildungslandschaften steht nicht ohne Grund schon seit einigen Jahren auf der Agenda. Eine räumliche Zusammenlegung hätte zum einen den Vorteil, dass bestimmte Ausgaben, die jeder Anbieter sonst allein tragen muss, gebündelt werden können. Noch wichtiger sind die kurzen Wege zwischen den verschiedenen Akteuren, die Kinder und Jugendliche auf ihrem Bildungsweg unterstützen. Sie sorgen für Synergieeffekte wenn es darum geht, institutionsübergreifende Angebote zu steuern und Absprachen zu treffen. Die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen kann so kontinuierlich und – da „aus einer Hand“ – effektiver begleitet werden.
Allerdings gibt es auch Faktoren, die für den Erfolg solcher Stadtteilschulen unerlässlich sind. Einer davon ist die zentrale Verantwortung der Kommunen. Nur unter ihrer Federführung können Professionalität und Verlässlichkeit des Angebots auf Dauer sichergestellt werden. Dies entlastet auch die Schulleitungen und Lehrer, die momentan oft neben dem regulären Arbeitsaufwand freiwillig Initiativen betreuen. Um eine weit reichende Vernetzung wirklich umsetzen zu können, brauchen Schulen außerdem Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten. Dies kann von freierer Zeiteinteilung an der Schule selbst bis hin zur inhaltlichen Abstimmung mit Kooperationspartnern reichen.
Die Schule als Herz ihres Stadtteils – diese Idee unserer Nachbarn ist definitiv etwas zum Abschauen!
Mehr zu den Vensterscholen im Archiv der Zukunft oder auf den Seiten des Bildungsprojektes „Bildungszentrum Tor-zur-Welt“ Hamburg. In NRW widmet sich das Projekt Regionale Bildungsnetzwerke dem Thema.