Der dritte und letzte Teil zum eigenverantwortlichen Lernen und seinen Wurzeln ist nicht so stark historisch ausgerichtet wie die beiden ersten. Es geht eher um eine philosophische Vorstellung, deren Grundidee auch in der Pädagogik sehr einflussreich war und ist: Die Rede ist vom Konstruktivismus.
Der Konstruktivismus als philosophische Disziplin geht davon aus, dass wir die Dinge um uns herum durch unser Erkennen erst konstruieren, also erschaffen. Mit anderen Worten: Die Realität ist abhängig vom Beobachter und unterliegt, durch verschiedene Situationen der Wahrnehmung und Auseinandersetzung, ständiger Veränderung. Dieses Grundprinzip hat auch das Verständnis des Lernens beeinflusst. So schreibt beispielsweise der Kölner Pädagoge Kersten Reich:  „Kein Lehrer kann die Wahrheit auf Dauer und für alle voraussagen, kein Schüler eine einzig richtige Lehrmeinung oder Methode für immer erlernen.“ (Kersten Reich, Konstruktivistische Unterrichtsmethoden – lerntheoretische Voraussetzungen und ausgewählte Beispiele, in: System Schule 2,1 (1998) S. 20-26, hier S. 20).

Selbstgesteuertes Lernen
Selbstgesteuertes Lernen

Agieren statt Reagieren
Die Aneignung von Wissen läuft diesem Modell zufolge ganz anders ab als nach der „herkömmlichen“ Vorstellung, bei der der Lehrer das Wissen hat und dieses dem Schüler – gleich einem Geschenk, das er überreicht – weiter vermittelt. Stattdessen konstruiert der Lernende das Wissen selbst, wobei ihm das bisher Erfahrene und Erlernte als Grundlage bzw. Anknüpfungspunkt dienen. Ihm kommt eine aktive Rolle zu! Die Lehrkraft dagegen nimmt sich stärker zurück, was allerdings nicht heißt, dass es nicht auch Phasen der Instruktion und Reflektion geben muss, in denen Schülerinnen und Schüler eine rezeptive Rolle einnehmen (dies betont vor allem der gemäßigte Konstruktivismus).
Teil dieser neuen Rolle des Lernenden ist – man denke an John Dewey – das Aneignen von Wissen durch aktives Tun. So betont der Konstruktivismus mit den Worten Kersten Reichs auch, „daß im Machen, im Herstellen und eigenem Tun die Wurzel menschlicher Welterfahrung und -aneignung steckt“ (s.o.). Darüber hinaus verhindert ein praxisorientierter Unterricht, dass zwar Wissen angehäuft, seine Anwendung auf  konkrete Problemsituationen aber nicht trainiert wird (Differenz zwischen „Kennen“ und „Können“).
Lernen durch eigenhändiges Ausprobieren
Lernen durch eigenhändiges Ausprobieren

Konstruktivismus im Unterricht
Diese Parameter gilt es bei der Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen. Vorwissen und Erfahrungsschatz der Schülerinnen und Schüler beeinflussen, wie sie neu Erlerntes verarbeiten und so ihr persönliches Wissenskonstrukt erweitern. Erfolgversprechend sind Lernsituationen, die selbstgesteuertes Lernen und die aktive Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Stoff ermöglichen – situatives, problemorientiertes Lernen. Auch Fehlern kommt eine bedeutende Rolle zu, denn die Auseinandersetzung mit ihnen fördert die Wissenskonstruktion.
Methoden, die dem konstruktivistischen Verständnis Rechnung tragen, sind zum Beispiel die des Kooperativen Lernens, wie etwa das Gruppenpuzzle (Group Jigsaw).
Das war unsere Serie zum selbstgesteuerten Lernen. Und nun zieht los – und bringt die selbstständigen und selbstbewussten Persönlichkeiten da draußen zum Vorschein 🙂