Im Rahmen des dritten “Education Innovation Circle“ diskutierten am 10. und 11. Oktober in Berlin Experten aus Hochschulen, Technologieunternehmen und Forschungsinstituten über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in der Hochschulbildung.

Seit unter dem Stichwort „MOOCs“ Online-Kurse mit enormen Teilnehmerzahlen von sich reden machen, ist weltweit ein breites Interesse an digitalen Bildungsangeboten in der Hochschullehre entstanden. Was dieser Trend für Deutschland bedeutet, war jetzt Thema beim jüngsten Education Innovation Circle der Bertelsmann Stiftung und des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).

Die von den Teilnehmern diskutieren Beispiele wie die Virtuelle Hochschule Bayern, der Virtual Linguistics Campus der Universität Marburg, die deutsche MOOC-Plattform iversity mit inzwischen über 100.000 Nutzern oder auch die zunehmenden Aktivitäten großer Konzerne wie der Deutschen Telekom zeigen, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten digitaler Lernarrangements in der Hochschule sein könnten.  Jenseits von inzwischen weit verbreiteten Learning Management Systemen wie Moodle oder Blackboard bleiben diese Potenziale allerdings an deutschen Hochschulen noch weitgehend ungenutzt. Gründe hierfür sahen die Experten insbesondere in zu starren rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen sowie – anders als beispielsweise in den USA – dem Fehlen akuter Treiber wie der dortigen Kostenexplosion im Hochschulwesen.

Im Gegensatz zur ersten E-Learning-Welle in den 1990er Jahren können digitale Bildungsangebote dank Breitbandinternet, moderner Endgeräte und sozialer Medien heutzutage viel schneller und günstiger verbreitet werden. In einer Zeit, in der Hochschulbildung zum Regelfall und die Vielfalt der Studierenden deshalb immer größer wird, bietet die Digitalisierung nach Ansicht der Experten große Potenziale, die Lehre mit Blick auf diese neuen Rahmenbedingungen zu verbessern.

„Individualisierung trotz Massifizierung“ könnte ein entscheidendes Motiv für den verstärkten Einsatz digitaler Lernformen an deutschen Hochschulen sein. Denn so sei es möglich, trotz zunehmend begrenzter Ressourcen viel mehr Studierenden Zugang zu höherer Bildung zu eröffnen und beispielsweise durch adaptive Software gleichzeitig deren persönlicher Lernsituation gerecht zu werden. Mit der stärkeren Individualisierung von Lernwegen und -inhalten bestehe somit insbesondere die Chance, diejenigen (häufig nicht-traditionellen) Studierenden zu unterstützen, die mehr Orientierung und einen stärker strukturierten Studienrahmen brauchen. Bei selbständigeren Lernern gelte es hingegen, diese keinesfalls durch softwaregesteuerten Lernprozesse zu „entmündigen“, sondern vielmehr flexible Optionen für ein stärker personalisiertes Studienprofil aufzuzeigen.

MOOCs in ihrer heutigen Form als digitale Kopien klassischer Vorlesungen, so die Einschätzung der Teilnehmer des Education Innovation Circle, würden diese Potenziale noch bei weitem nicht heben. Sie dürften aber ein wichtiger Katalysator auf dem Weg zu einer individualisierten Lernkultur sein. „MOOCS and beyond“ lautet daher der Titel einer gemeinsamen Tagung des CHE und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft am 27. November in Berlin, auf der die Folgen der Digitalisierung für  Hochschulen und Politik sowie strategische Handlungsoptionen diskutiert werden sollen. Grundlage dafür ist auch das aktuelle CHE-Arbeitspapier „Die digitale (R)evolution? – Chancen und Risiken der Digitalisierung der Lehre.“