Über kein anderes Thema wird in der internationalen Hochschulszene mehr diskutiert als über die Chancen und Risiken der Digitalisierung. Getrieben wird diese Entwicklung einerseits von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, etwa dem technologischen Fortschritt (z.B. schnelle Netze und mobile Endgeräte), der Verfügbarkeit von Venture Capital im Bildungsbereich und einer neuen Generation junger Menschen, die als „Digital Natives“ mit der zeitlich und räumlich nahezu uneingeschränkten Verfügbarkeit von Wissen sozialisiert wurden und jetzt in die Hochschulen kommen.

Die Digitalisierung bietet aber andererseits auch Lösungen für bisher unbewältigte Herausforderungen im Hochschulwesen selbst. Für Deutschland heißt die Kernherausforderung: Hochschulbildung wird zum Normalfall, die Mehrheit der jungen Menschen studiert. Es gibt aber nicht nur immer mehr Studierende, sondern insbesondere auch eine immer buntere Studierendenschaft. In den USA gelten schon heute drei Viertel der Studierenden als „atypisch“, da sie älter als 25 Jahre sind, in Teilzeit studieren oder von zu Hause aus. Auf diesen Wandel müssen sich auch die deutschen Hochschulen einstellen; die Digitalisierung kann dabei helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen.

1 Digital Natives lernen anders

An die Hochschulen kommt seit einigen Jahren eine neue Generation junger Menschen. Sie bewegt sich nicht nur mit großer Selbstverständlichkeit im Internet und sozialen Netzwerken, sondern unterscheidet sich auch in ihrem Lernverhalten erheblich von vorigen Generationen. Die DNA der Generation Y ist kollaborativer: Studierende lösen Aufgaben heute eher im Team als alleine und sind gewillt, ihr Wissen und ihre Ideen mit anderen zu teilen. Sie sind diskussionsfreudiger, dialogorientierter, wollen nicht nur Wissen aufnehmen, sondern kommentieren, ergänzen, verändern, neu erschaffen. Durch ihre Offenheit zu teilen und durch die Möglichkeiten der Vernetzung wissen diese jungen Menschen in ihrer Gesamtheit häufig mehr als ihre Lehrenden. Auch die ihnen vermittelten „Lernwahrheiten“ lassen sich heute viel leichter überprüfen und hinterfragen. Damit verändert sich das „Kräfteverhältnis“ von Lehrer zu Lerner, die Wissenshierarchie steht Kopf. Diese neuen „Autoritäts- und Rollenverhältnisse“ werden sich in den Lehrangeboten der Hochschulen und dem Selbstverständnis der Dozenten niederschlagen müssen.

Ein Impuls in neun Thesen (1)- von Jörg Dräger, Julius-David Friedrich und Ralph Müller-Eiselt