Na endlich: Die Bundesregierung will das Thema digitales Lernen richtig angehen. Die im neuen Koalitionsvertrag vorgesehenen 5 Milliarden Euro für die Schulen sind ein guter Anfang. Es bleibt zu hoffen, dass das Geld möglichst schnell fließt. Doch mehr als ein Anfang kann das nicht sein. Denn es reicht vorne und hinten nicht, sich nur auf die Schulen zu konzentrieren. Es braucht ein Digitalpakt für die gesamte Bildungskette.

Der digitale Wandel schreitet zu schnell voran, um nur die nachwachsende Generation in den Blick zu nehmen. Die Anforderungen an Arbeit und Beruf ändern sich dafür zu fundamental. Wir müssen dringend die ganze Gesellschaft fit für die digitale Zukunft machen. Einmalige Finanzspritzen in einen Bildungssektor wären ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir brauchen mehr als einen Digitalpakt für die Schulen, wir brauchen einen Digitalpakt für die gesamte Bildungskette: Besonders für die, die schon heute mitten im Berufsleben stehen. Denn nie war kontinuierliche Weiterbildung auch jenseits der Erstausbildung so wichtig wie heute.

Dabei ist die Digitalisierung nicht nur Herausforderung, sondern auch Chance. Das Internet eröffnet dem lebenslangen Lernen neue Möglichkeiten. Wer sich als Erwachsener beruflich und persönlich weiterbilden möchte, dem bleiben nicht nur klassische Fortbildungen oder Volkshochschulen. Das Lernen verlagert sich mehr und mehr ins Netz, wie der aktuelle „Monitor Digitale Bildung“ der Bertelsmann Stiftung erstmals repräsentativ belegt. Immerhin knapp jeder zweite Erwachsene in Deutschland nutzt regelmäßig digitale Medien zur persönlichen oder beruflichen Weiterbildung.

Entscheidend ist die Motivation des Einzelnen: Wer online lernt, der lernt zu Hause – und das ganz überwiegend in der Freizeit. Beliebt sind vor allem kurze Lernvideos für Haushalt und Heimwerken oder digitale Angebote zum selbstständigen Erlernen von Sprachen oder EDV-Themen. Drei von vier Online-Lernern können sich nicht mehr vorstellen, wie Weiterbildung ohne den Einsatz digitaler Medien funktionieren soll. Alltagslernen findet schon zu großen Teilen digital statt: Daran sollten sich die Weiterbildungsanbieter orientieren.

»Drei von vier Online-Lernern können sich nicht mehr vorstellen, wie Weiterbildung ohne den Einsatz digitaler Medien funktionieren soll.«

Denn die stehen vor einem ernsthaften Problem: Google und Co. laufen den etablierten Akteuren den Rang ab. Weiterbildungsinteressierte nutzen die gängigen Suchmaschinen und Plattformen. Und dabei landen sie selten bei den Angeboten der örtlichen Volkshochschule. Im Vordergrund steht nicht mehr, wer einen Inhalt anbietet, sondern ob der Inhalt gut aufbereitet ist, leicht zugänglich und auf die persönliche Fragestellung zugeschnitten. Da kann schon mal ein Privatmann mit seinen Lernvideos zum Star werden, während die klassischen Einrichtungen nicht einmal mehr als Suchergebnis auftauchen.

Die meisten Weiterbildungsanbieter verschlafen diesen Wandel der Lerngewohnheiten. Vor allem in Volkshochschulen und bei öffentlich geförderten Angeboten dominieren weiterhin klassische Präsenzkurse. Zwar gilt in manchen großen Firmen bereits das Online-First-Prinzip: Das digitale Angebot ist die Regel, wer noch eine traditionelle Fortbildung besuchen will, muss das extra begründen. Doch das ist noch die Ausnahme: An einer ausgewiesenen beruflichen Onlineweiterbildung hat im vergangenen Jahr nur etwa jeder zehnte Deutsche teilgenommen.

Dabei verschärft sich ein altbekanntes Problem: Diejenigen, die bereits hohe formale Qualifikationen mitbringen, nehmen eher an Weiterbildung teil als diejenigen, die einen niedrigeren Bildungsabschluss haben. Diese soziale Schere setzt sich im digitalen Raum fort. Akademiker und Erwerbstätige lernen etwa doppelt so oft digital wie Menschen mit geringerer formaler Bildung und Nichtberufstätige. Diejenigen, die sich bislang schon regelmäßig weitergebildet haben, haben es online noch leichter, während die bisherigen Weiterbildungsverlierer in Zukunft erst recht auf der Strecke zu bleiben drohen. Fatal daran: Nur etwa ein Drittel der für den Monitor Digitale Bildung befragten Dozenten glaubt daran, dass digitale Medien lernschwächere Menschen fördern könnten. Die digitale Lernrevolution darf niemanden abhängen. Hier müssen Politik und Wirtschaft ansetzen. Und Weiterbildungsanbieter sollten den Wandel gestalten statt versuchen, ihn zu verhindern.

Nicht jedes Unternehmen, nicht jede Volkshochschule oder private Fortbildungsakademie muss deshalb alles digitalisieren. Sie alle aber brauchen eine Strategie für das digitale Zeitalter, die aktiv auf aktuelle Fortbildungsbedarfe und sich wandelnde Lerngewohnheiten eingeht. Konkret bedeutet das: Wir brauchen eine adäquate Infrastruktur und transparente Qualitätsstandards. Das Weiterbildungspersonal muss für digitales Lehren geschult werden und entsprechendes Engagement angemessen honoriert werden. Sinnvoll wäre ein staatliches Stipendienprogramm für Dozenten, die sich für digitales Lehren fortbilden wollen. Wer digital und online unterrichtet, sollte zudem nicht länger gegenüber Präsenzkursen finanziell benachteiligt werden. Zudem darf die öffentliche Förderung nicht an den Pforten der Volkshochschulen oder anderer herkömmlicher Bildungsanbieter Halt machen. Auch neue Online-Communities, die hochwertige Lernangebote machen, sollten profitieren können. Die digitale Bildungsrevolution geht uns alle an.

Dieser Beitrag ist erstmals am 18. April 2018 auf Didacta Digital erschienen.