Dieser Beitrag wurde verfasst von: Florian Rampelt und Ralph Müller-Eiselt.

Im Rahmen eines Projekts mit der Bertelsmann Stiftung haben Vertreter von Kiron Open Higher Education, CHE Consult und dem Stifterverband gemeinsam eine Überblicksstudie zur Anerkennung und Anrechnung von MOOCs verfasst. Sie skizziert und sortiert zahlreiche Beispielen guter Praxis und macht konkrete Handlungsempfehlungen an Hochschulen, Studierende, MOOC-Anbieter und die Hochschulpolitik. Die Überblicksstudie steht hier zum Download zur Verfügung.

 Außerhochschulisch erworbene Kompetenzen verdienen Anrechnung auf ein akademisches Studium. Diese Forderung schlug sich bereits im Jahr 2002 in einem wegweisenden Beschluss der Kultusministerkonferenz nieder. Obwohl schon seit damals offiziell bis zur Hälfte eines Studiengangs entsprechend ersetzt werden dürfen, tat sich das deutsche Hochschulsystem mit der Anrechnung individuell erlangter Kompetenzen lange sehr schwer. Spätestens mit dem Aufkommen von Massive Open Online Courses (MOOCs) und anderen Formen digitalen Bildungsangeboten hat die Diskussion über die Möglichkeiten – und auch die Risiken – einer Öffnung von Hochschulbildung jedoch neuen Schwung bekommen.

Die globale Produktion digitaler Kursangebote und ganz besonders auch von MOOCs wächst weiterhin konstant. Digitale Formate differenzieren sich dabei zunehmend aus und stehen für unterschiedliche Zielgruppen über die gesamte Lebensspanne zur Verfügung. Der Übergang zwischen hochschulischen und außerhochschulischen Bildungsangeboten erscheint dabei zunehmend fließend und eine Einordnung digitaler Kurse in traditionelle Raster fällt nicht immer leicht. War gerade die Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen schon bisher ein schwieriges Feld, so erhält die Thematik mit der theoretisch grenzenlosen Verfügbarkeit digitaler Angebote im Internet eine neue Dimension und verstärkt Unsicherheiten an Hochschulen hinsichtlich der Beurteilung und Wertschätzung qualitativ hochwertiger Online-Kurse.

Im Rahmen des durch die Bertelsmann Stiftung geförderten Projekts „From Camp to Digital Campus“ sollte auf diese Unsicherheiten reagiert werden. Das nun veröffentlichte Arbeitspapier “Digital anerkannt” wurde durch die Bildungsorganisation Kiron Open Higher Education angestoßen und in enger Zusammenarbeit mit CHE Consult sowie dem Hochschulforum Digitalisierung (HFD) umgesetzt. Es soll eine kritisch reflektierte, praxisorientierte Hilfestellung im Umgang mit der Anerkennung und Anrechnung von MOOCs an Hochschulen liefern und dabei Akteuren an Hochschulen auch positive Impulse für die bedarfs- und qualitätsorientierte sowie transparente Integration (offener) digitaler Lehr- und Lernformate in ihre Studienangebote geben.

Die vorliegende Überblicksstudie bestätigt, dass die Rahmenbedingungen und Prozesse, die in den vergangenen Jahrzehnten mit einem Fokus auf „analoge Räume“ für den Europäischen Hochschulraum geschaffen wurden, grundsätzlich auch auf digital erworbene Kompetenzen anwendbar sind. Die Qualitätssicherungsinstrumente, die vor allem im Rahmen des Bologna-Prozesses definiert wurden, bieten darüber hinaus Möglichkeiten, durch eine Neuinterpretation klare Prozesse hinsichtlich der Anrechnung und Anerkennung von digital erworbenen Leistungen herbeizuführen. Dies wird im Rahmen der Studie sowohl allgemein konzeptionell und rechtlich hergeleitet, als auch anhand von konkreten Beispielen guter Praxis umsetzungsorientiert illustriert. Eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote, Verbünde und Kooperationsprojekte hat bereits erfolgreich Anerkennungs- und Anrechnungsoptionen für MOOCs in der Praxis aufzeigen können.

In der Gesamtschau zeigt sich aber auch, dass die Anerkennung und Anrechnung von digital erworbenen Kompetenzen trotz eines grundsätzlichen politischen Willens und des hohen Engagements einzelner Akteure vielerorts nicht klar geregelt ist. Bedenken gegenüber der Digitalisierung und institutionelle Unsicherheiten kristallisieren sich dabei oftmals besonders in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Qualitätssicherung heraus. Über eventuell zusätzlich notwendige Standards, etwa zur Durchführung von Prüfungen in digitalen Kontexten, besteht keine Einigkeit. Auf Basis der Analysen und bestehender Beispiele guter Praxis erarbeitet unsere Überblicksstudie Empfehlungen für zentrale Stakeholdergruppen im Umgang mit digitalen Lehr- und Lernszenarien (Hochschulen, Studierende und MOOC-Plattformen) und fordert die Bildungspolitik auf, Unsicherheiten weiter abzubauen.

Als übergreifende Empfehlung kann gelten, dass alle Beteiligten die bereits umfassend vorhandenen Möglichkeiten besser nutzen sollten, den digitalen Wandel chancen- und qualitätsorientiert mitzugestalten. Qualitativ hochwertige digitale Angebote sollten durch Möglichkeiten der Anrechnung bzw. Anerkennung die ihnen zustehende Wertigkeit erhalten und Möglichkeiten der Flexibilisierung genutzt werden, wo sie eine sinnvolle Aufwertung bestehender Studienangebote bedeuten.