Auf welche Kompetenzen kommt es an, wenn unsere Kinder oder Enkel in einigen Jahren im Arbeitsleben stehen? Wozu müssen sie in der Lage sein, um in einer Arbeitswelt klarzukommen, die ständig komplexer wird und in der man schon lange nicht mehr sicher sein kann, dass man nach fünf oder zehn Jahren noch die gleichen Aufgaben zu erledigen hat.

Häufig fällt in diesem Zusammenhang der Begriff der „21st Century Skills“. Angesichts der „intelligenten“ und lernenden Maschinen, die nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch unseren Alltag in wachsendem Maße durchdringen, wird allgemein vermutet, dass neben IT-bezogenen Fertigkeiten vor allem die oft als „weiche“ Kompetenzen bezeichneten Fähigkeiten und Einstellungen immer wichtiger werden.

Gemeint sind damit zumeist kommunikative und soziale Kompetenzen, also zum Beispiel die Fähigkeit, in heterogenen und interkulturellen Teams zu kooperieren oder in hybriden – technologiegeprägten – Umgebungen effektiv zu arbeiten, d.h. komplexe Systemumgebungen zu verstehen, flexibel und kreativ auf Probleme und Hindernisse zu reagieren und insgesamt selbstverantwortlicher zu agieren. Damit verbinden sich auch geänderte persönliche „Attitudes“, wie z.B. die Bereitschaft, sich eigenständig weiterzubilden, Agilität, Flexibilität und Selbstmotivation sowie nicht zuletzt eine gewisse Offenheit gegenüber neuen Herausforderungen, Prozessen und Technologien.

Zusammengefasst werden diese Zukunftskompetenzen oftmals in den sogenannten „Vier Cs“: Communication, Critical Thinking, Creativity und Collaboration. Das SINUS Institut hat nun im Rahmen einer Studie für die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung die vorliegenden Konzepte für „Future Skills“ gesichtet und die bekannten vier Cs durch zwei weitere ergänzt: Charisma und Coolness.

Die SINUS 6C: Future Competencies

 

Bei beiden Begriffen würde man zunächst einmal nicht unbedingt vermuten, dass es sich um neue, eigenständige Kompetenzbereiche handelt. Doch das SINUS-Institut hat die Alltagsbegriffe operationalisiert. Coolness bedeutet danach, in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, aber auch, in solchen Phasen auf sich und seine Gesundheit zu achten. Eine Person mit Charisma ist in der Lage, sich und ihre Ideen gut zu verkaufen und auch vor Publikum zu präsentieren.

Insgesamt haben die Sinus-Forscher:innen in ihrer Studie sechs Kompetenzcluster mit 23 Einzel-Kompetenzen gebildet. Im Rahmen einer repräsentativen Online-Erhebung hat das SINUS-Institut sodann Jugendliche und junge Erwachsene danach gefragt, welche von diesen Kompetenzen sie als besonders wichtig ansehen. Dabei stuften rund zwei Drittel der Befragten alle 23 genannten Kompetenzen als zukunftsrelevant ein. Als am wichtigsten für den künftigen Berufserfolg wurden die folgenden neun Kompetenzen angesehen (jeweils mind. 85 Prozent Zustimmung):

  • „neue Dinge lernen bzw. sich weiterbilden“ (94 Prozent),
  • „in stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren“ (94 Prozent),
  • „sich angemessen benehmen“ (93 Prozent),
  • „die eigene Zeit richtig einteilen“ (91 Prozent),
  • „Teamarbeit“ (90 Prozent),
  • „knifflige Probleme lösen“ (89 Prozent),
  • „Probleme offen ansprechen“ (89 Prozent),
  • „aus vielen Informationen die wesentlichen erkennen“ (87 Prozent) und
  • „leicht mit anderen Menschen in Kontakt kommen“ (85 Prozent).

Das Kompetenz-Ranking deutet darauf hin, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von einer zunehmend komplexer werdenden Arbeitswelt ausgehen, deren Bewältigung vor allem Offenheit für Neues und Stressresistenz voraussetzt, aber auch Teamwork, gutes Zeitmanagement und Kreativität. Unterschiede zeigen sich allerdings unter Berücksichtigung der Bildungsniveaus: Befragte mit einem niedrigen formalen Bildungsniveau (Haupt- und Realschule) sind seltener der Ansicht, dass der „souveräne Umgang mit Computern“, „das Filtern wesentlicher Informationen“ und „das kritische Hinterfragen“ künftig wichtig sein werden. Auffällig ist auch, dass diese Gruppe seltener der Meinung ist, dass Aspekte wie „mich und meine eigene Ideen verkaufen“ und „vor fremden Leuten etwas vortragen“ in Zukunft bedeutsam sind. Und auch im Blick auf die Aspekte „neugierig sein“ und „ungewöhnliche Ideen entwickeln“ antworten Befragte mit niedrigem formalen Bildungsniveau zurückhaltender als die formal höhergebildeten Gruppen.

Fragt man die Jugendlichen danach, ob sie sich selbst als kompetent in diesen Bereichen einschätzen, so zeigt sich eine positive Selbstzuschreibung: 70 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen finden, dass sie in 12 von 23 abgefragten Kompetenzen „eher gut“ sind. Besonders selbstbewusst antworten die Jugendlichen bei folgenden Aspekten:

  • „sich angemessen benehmen“ (93 Prozent),
  • „neue Dinge lernen bzw. sich weiterbilden“ (88 Prozent),
  • „neugierig sein“ (87 Prozent),
  • „sich in andere hineinversetzen“ (80 Prozent) und
  • „Teamarbeit“ (79 Prozent).

Die größte Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung und der vermuteten Zukunftsrelevanz zeigt sich interessanterweise bei den neu definierten Kompetenz-Clustern Coolness und Charisma: So sagen etwa nur zwei Drittel, dass sie „bei Stress einen kühlen Kopf bewahren“, aber 95 Prozent glauben, dass dies in Zukunft wichtig sein wird. Auch attestieren sich nur 59 Prozent ein „gutes Zeitmanagement“, aber fast alle (91 Prozent) halten dies für eine wichtige Zukunftskompetenz. Nur 54 Prozent denken, dass sie „sich und ihre Ideen gut verkaufen“ können, 83 Prozent halten dies aber für eine zukünftig relevante Fähigkeit. Und nur 43 Prozent finden, dass sie gut darin sind, „vor fremden Leuten etwas vorzutragen“, aber 73 Prozent rechnen damit, dass genau dies im Berufsleben wichtig sein wird.

Diese Ergebnisse zeigen, dass sich die Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf eine globalisierte und vernetzte Arbeitswelt einstellt. Gleichzeitig geht jedoch nur etwa die Hälfte der Befragten davon aus, kommunikativ ausreichend dafür vorbereitet zu sein: 68 Prozent schätzen die Bedeutung von Fremdsprachen für den Beruf in der Zukunft als wichtig ein, aber nur 51% sagen, dass sie gut im „Erlernen von Fremdsprachen“ sind. 85 Prozent gehen davon aus, dass es in Zukunft wichtig sein wird, „leicht mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen“, aber nur 51 Prozent sehen darin eine eigene Stärke.

Zusammengefasst sind die Jugendlichen in Deutschland nach den Befunden des SINUS-Instituts nicht nur generell zukunftsoptimistisch (jedenfalls hinsichtlich ihrer persönlichen Zukunftsperspektiven), sondern sie sehen sich auch in Sachen „Future Readiness“ gut aufgestellt: Zwei Drittel der Jugendlichen hierzulande gehen davon aus, dass sie gut auf die Zukunft vorbereitet sind, wobei die männlichen Befragten sogar noch etwas zuversichtlicher sind als die weiblichen.

Ob freilich die von SINUS identifizieren „6 Cs“ die künftig relevanten Kompetenzen tatsächlich umfassend abdecken, sei an dieser Stelle zumindest bezweifelt. Ohnehin stellen auch die 4Cs nur eine Modellierung für erfolgreiches, selbstgesteuertes Lernen im 21. Jahrhundert dar – mithin einen kleinen Ausschnitt relevanter Zukunftskompetenzen. Vertiefte Kenntnisse im MINT-Bereich werden sicherlich ebenso wie Kompetenzen rund um IT, Programmierung, Digitale Medien, Data Analytics, KI, Management usw. in Zukunft ebenfalls nicht zu vernachlässigen sein.