Die Evangelische Schule Berlin Zentrum (ESBZ) ist für uns ein Ort, an dem es viele Menschen mit einer offenen Art und immer einem Blick für Lösungen gibt. Es ist für uns ein Ort, an dem niemand allein dasteht, wenn Probleme auftreten. Das liegt daran, dass wir Schüler:innen von unseren Tutor:innen durch unser Schulleben begleitet werden. Persönliche Gespräche und individuelle Lösungen bilden den Kern unserer ESBZ-Gemeinschaft. Unser Schulleben besteht aus vielen besonderen Lernformaten, die über den Erwerb der fachlichen Kompetenzen hinausgehen. Wir – das sind Yola und Theodora – wollen im Folgenden eine Auswahl dieser Lernformate vorstellen und unsere persönlichen Erfahrungen teilen.

Lernbüro

Das erste Lernformat, welches wir vorstellen wollen, kommt aus der Mittelstufe und heißt „Lernbüro“. Es findet mindestens einmal am Tag für 90 Minuten in den Jahrgängen 7 bis 9 statt. Unsere Mittelstufenklassen sind jahrgangsgemischt mit Schüler:innen der Klassenstufen 7 bis 9. In den Lernbüros lernen immer drei Klassen, etwa 85 Schüler:innen zusammen. Jede:r Schüler:in darf sich jeden Tag aufs Neue aussuchen, in welchem Fach er oder sie lernen möchte. Es gibt die Fächer Deutsch, Mathe, Englisch sowie Natur und Gesellschaft (NG). Pro Fach gibt es einen Lernraum mit einer Fachlehrkraft. Die Fachlehrkräfte stehen für Fragen zur Verfügung, falls die anderen Mitschüler:innen nicht weiterhelfen können. Das Konzept des Lernbüros basiert auf Lernbausteinen. Jedes Thema hat seinen eigenen Baustein. Die Bausteine bestehen aus einem Lernpfad, dazugehörigen Aufgaben und analogen und digitalen Materialien zur Veranschaulichung des Themas. Es gibt eine vorgesehene Anzahl an Bausteinen, die pro Schuljahr abgeschlossen werden sollen.  Außerdem haben alle Schüler:innen die Möglichkeit, Testtermine individuell abzusprechen, das heißt es gibt keinen zentralen Zeitpunkt, an dem alle das gleiche Thema abschließen. Es gibt aber mit den Fachlehrkräften oder der Tutor:in Absprachen und Zeitpläne, um das Pensum zu schaffen. Unsere Erfahrungen im Lernbüro sind folgende:

Theodora: „Das Lernbüro war am Anfang gewöhnungsbedürftig und sah überwältigend aus, mit verschiedenen Fächern und Bausteinen. Doch dank der Unterstützung meiner Lehrer:innen und Tutor:innen kam ich schnell mit dem Lernformat klar. Es hat mir meinen Schulalltag erleichtert, da es für mich so war, dass ich von dem „normalen“ Unterricht eine Pause machen konnte. Das Fach selbst aussuchen zu können, und wo selbst Mathe zu einer freiwilligen Wahl wurde, dazu noch in meinem eigenen Tempo zu arbeiten? Ein Traum.“

Yola: „Ich fand es für mich persönlich eine gute Art des Lernens. Es hat mich entspannt, dass ich in meinem eigenen Tempo arbeiten konnte und nicht einem „kollektiven“ Gruppendruck ausgesetzt war. Ich kam die meiste Zeit gut damit zurecht, mir meine Zeit einzuteilen. Mir hat es total geholfen, dass ich im Hinterkopf immer wusste, dass meine Tutorin mir mit Rat und Tat zur Seite steht, wenn ich Hilfe bei der Organisation etc. gebraucht habe. In der Zeit der Schulschließungen war das Arbeiten zuhause einfacher, weil ich es gewöhnt war, selbstständig zu arbeiten. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Projekt Herausforderung

Das Projekt Herausforderung findet einmal im Schuljahr aktuell für die Jahrgänge 7 bis 10 statt. In einem dreiwöchigen Zeitraum stellen sich die Schüler:innen einer selbstgewählten Herausforderung. Hier einige Beispiele: Eine Fahrrad- oder Wandertour, Mithilfe auf einem Bauernhof oder eine Kanutour. Dabei haben die Schüler:innen 150 Euro pro Person zur Verfügung. Die Kleingruppen bereiten ihre Herausforderung selbstständig mit individueller Unterstützung von Lehrkräften vor. Es gibt eine volljährige Begleitperson, entweder eine Schüler:in der Oberstufe, Student:innen oder eine Lehrkraft. Sie muss von der Gruppe mit eingeplant und versorgt werden, da sie kein eigenes Budget hat. Die Begleitperson soll ein gleichberechtigtes Gruppenmitglied sein, welche aber nur in Notfällen die Verantwortung trägt. Hier ein Beispiel: Wenn die Fahrradgruppe den halben Tag in die falsche Richtung fährt, darf die Begleitung so lange nicht eingreifen, bis die Gruppe es selbst herausfindet. Unsere Erfahrungen mit dem Projekt Herausforderung:

Yola: „Ich habe zwei Herausforderungen gemacht. Das erste Mal war ich mit drei anderen Schüler:innen in Salzburg. Wir haben dort in verschiedenen Kirchengemeinden geschlafen. Unsere selbst gewählte Herausforderung bestand darin, auf den Straßen Salzburgs Musik zu machen. Das war eine richtig schöne Zeit. Beim Straßenmusik machen haben wir Geld bekommen. Das war für mich eine sehr aufregende Erfahrung. Am Ende haben wir das Geld gerecht aufgeteilt. Ich habe meinen Teil gespendet. Auf meiner zweiten Herausforderung war ich mit einer kleinen Gruppe an Menschen Fahrrad fahren. Wir sind in Karlsruhe gestartet, dann am Rhein entlang und sind dann in Nauemburg nach Frankreich abgebogen. Von dort aus sind wir durch die Vogesen zurück Richtung Saarbrücken gefahren. Abends haben wir in den Dörfern nach einer Übernachtungsmöglichkeit geschaut, haben an Häusern geklingelt und gefragt, ob wir unser Zelt in ihrem Garten aufstellen können. Auf dieser Tour haben wir sehr viel Gastfreundschaft erfahren, was total schön war. Menschen haben uns zum Teil nicht „nur“ ihren Garten zum Zelten zur Verfügung gestellt, sondern uns auch Essen gekocht oder geschenkt. Manchmal haben sie uns auch bei sich im Haus duschen lassen, das war oft schon Luxus pur. In dieser Zeit habe ich auf jeden Fall mein Bett und mein Badezimmer zu Hause nochmal ganz neu schätzen gelernt.“

Theodora: „Ich konnte wegen der Corona-Pandemie leider auch nur zwei Herausforderungen machen, dafür waren beide sehr ereignisreich. Meine erste war eine Wanderung. Doch für mich war die Segel-Herausforderung wirklich besonders. In einer Gruppe von neun Schüler:innen und zwei Begleiter:innen sind wir von Aarhus (Dänemark) nach Lübeck auf einem Zweimaster gesegelt. Ich konnte vorher schon durch den schulischen Segelkurs auf einer Scholle segeln, aber auf dem Meer auf so einem großen Boot war das schon etwas anders. Kein Land zu sehen und nur von Wasser umgeben zu sein ist unglaublich. Wir waren in drei Gruppen mit vier Stunden Schichten eingeteilt, damit alles glatt lief, besonders bei unseren Nachtstrecken. Was nur zweimal der Fall war, dafür hatten wir einen einmaligen Nachthimmel. Natürlich gab es auch unschöne Zeiten, z. B. als wir im strömenden Regen unsere Posten halten, anlegen und das Boot fertig machen mussten. Das war hart, aber ich habe gelernt, durchzuhalten und eine warme Dusche richtig wertzuschätzen.“

Projekt Verantwortung

Bei dem Projekt Verantwortung geht es darum, Verantwortung für andere oder eine Sache zu übernehmen. Dieses Projekt wird in den Jahrgängen 7 bis 10 durchgeführt. Es gibt jede Woche feste 90 Minuten im Stundenplan dafür. Man kann sich aber auch zu einer anderen Zeit engagieren. Es gibt auch schulinterne Möglichkeiten, bei denen man sich engagieren kann, aber die meisten Schüler:innen engagieren sich in außerschulischen Projekten. Verpflichtend muss ein Tagebuch über die Zeit geführt werden. Beispielsweise können wir in einem Kindergarten Verantwortung übernehmen, was gerne als erstes Projekt gewählt wird. Unsere Erfahrungen mit dem Projekt Verantwortung:

Theodora: „Ich war eigentlich wie jede:r im ersten Jahr im Kindergarten, was nett war, aber auch eintönig. Mein Lieblingsprojekt-Verantwortung war aber in dem Jahr, wo ich mit einer Gruppe von Mitschüler:innen unseren Schulgarten neu gemacht habe. Es war ein tolles Gefühl zu sehen, wie sich der Garten im Laufe des Jahres verändert hat und sich die eigene Arbeit auszahlt.“

Yola: „Am Anfang war ich in einem Kindergarten und habe dort mitgeholfen. Das war ein guter Start, hat mir aber nicht so viel Spaß gemacht. Danach habe ich eine Zeit lang im Anne Frank Zentrum in Berlin mein Projekt Verantwortung absolviert. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und war auch sehr abwechslungsreich. Beispielsweise habe ich im Besucher:innen-Service geholfen, Pakete gepackt oder war auch bei der Führung einer Schulklasse dabei. Ich bin sehr dankbar, dass das ein Teil meiner Schulerinnerung ist, weil ich daraus das Gefühl mitgenommen habe, dass es möglich ist, auch als junger Mensch wirksam zu sein und einen Teil zur Gesellschaft beizutragen.“

Alle ins Ausland

In den letzten drei Monaten des 11. Jahrgangs ist es für alle Schüler:innen verpflichtend, ins Ausland zu gehen und sich dort in einem sozialen, ökologischen oder anderen Projekt zu engagieren. Es geht darum, dass sich jede Schüler:in selbstständig ein Projekt sucht. Dabei werden sie von Elterncoaches und ihren Tutor:innen unterstützt. Der Auslandsaufenthalt sollte vorrangig in Europa stattfinden, damit die Anreise ohne Flugzeug möglich ist. Unsere Erfahrungen mit dem Lernformat „Alle ins Ausland“:

Yola: „Im Rahmen des Lernformates „Alle ins Ausland“ war ich im Frühjahr 2021 in den Niederlanden und würde sagen, dass es das Beste in der Coronazeit war, was mir hätte passieren können. Da war es so, als gäbe es fast keine Corona-Pandemie mehr. Ich war auf einer kleinen Farm, habe dort die Tiere versorgt und an vier Tagen in der Woche kamen dort Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung hin. Mit dem Team, das dort gearbeitet hat und allen Menschen, die auf die Farm kamen, habe ich gemeinsam die Tiere gefüttert, gegärtnert, mit den Kindern gespielt, Kekse gebacken und vieles mehr. Ich habe auch auf dem Grundstück der Farm geschlafen. Ich bin so dankbar für diese Erfahrung und die Zeit, die ich dort verbringen konnte.“

Theodora: „Ich habe das Lernformat „Alle ins Ausland“ etwas anders gemacht. Im Schuljahr 2021/22 habe ich kein dreimonatiges Projekt gemacht, sondern ein Auslandsjahr in Südspanien in der Nähe von Sevilla. Dort habe ich bei einer Gastfamilie gelebt und die dortige Schule besucht. So ein Auslandsjahr war jahrelang mein Traum und durch unser extra Jahr in der ESBZ konnte ich es problemlos verwirklichen, ohne mir Sorgen zu machen, allzu viel Unterricht zu verpassen oder das Jahr wiederholen zu müssen. Anders als bei einem „normalen „Alle ins Ausland“ hatte ich keine Hilfe, meinen Aufenthalt in Spanien zu organisieren, aber es wurden mir auch keine Schwierigkeiten von der Schule in den Weg gelegt. In meinem Auslandsjahr konnte ich komplett in eine andere Kultur eintauchen und eine neue Sprache erlernen, was mich sehr als Person geformt hat. Was ich vor allem meiner tollen Gastfamilie zu verdanken habe, mit der ich immer noch Kontakt habe.“

Wir hoffen, dass wir Ihnen einen kleinen Einblick in unser Schulleben als Schülerinnen der ESBZ geben konnten. Es gibt noch weitere spannende Formate an unserer Schule. Weitere Informationen dazu können Sie gerne auf unsere Schulwebsite nachlesen: https://www.ev-schule-zentrum.de/.

 


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