„Es herrscht Aufbruchstimmung“. So formulierte es der Schulleiter Jörg Droste in Bezug auf das Neudenken von Bildung bereits letztes Jahr in einem Blogbeitrag auf Schule21. In Deutschland ist inzwischen offenbar die Bereitschaft gewachsen, sich verstärkt für zukunftsfähige Bildung einzusetzen und neue Wege zum Abitur zu erkunden.  

Eine der Forderungen in der Potsdamer Erklärung des Bündnisses für ein zukunftsfähiges Abitur war damals die Einleitung einer bundesweiten öffentlichen Debatte über die Zukunft der Bildung in Deutschland. Das hat uns als Bündnis für ein zukunftsfähiges Abitur dazu inspiriert, selbst zu einer solchen Debatte nach Berlin einzuladen und den ersten Innovationskongress Oberstufe im Oktober 2024 auszurichten. Erfreulicherweise war der Kongress mit über 300 Anmeldungen schon Monate vorher überbucht, auch die Warteliste musste geschlossen werden. Dies zeigt, wie relevant das Thema zeitgemäßes Abitur ist und wie viele Akteure aus dem Schulkontext sich für das Thema engagieren wollen: Schulleitungen, Oberstufenkoordinator:innen, Schüler:innen und Lehrer:kräfte, ebenso wie Vertreter:innen aus den Kultusministerien, der KMK sowie aus Stiftungen und anderen Organisationen, die Bildung und Schulen unterstützen.  

„Teach less, learn more“ – Impulsreferate am Freitagvormittag 

Zum Auftakt der Tagung wurden in der Humboldt-Universität zu Berlin zwei Impulsreferate gehalten. Prof. Dr. Anne Sliwka (Universität Heidelberg) betonte in ihrem Vortrag die Dringlichkeit zur Reform des Weges zum Abitur und thematisierte die Chancen des „Deeper learning“-Modells, auch für das Lernen in den Oberstufen. Dabei ermutigte sie die Kongressteilnehmenden, den Aufbruch in eine veränderte Lern- und Prüfungskultur zu wagen und neue Wege zu gehen. „Teach less, learn more!“ war eine ihrer zentralen Thesen. Mehr Lernen durch weniger Lehren – das führt zu einer anderen Art des Lernens, indem die Selbstlernkompetenz der Schüler:innen gestärkt wird. Auch der Videobeitrag von Jöran Muuß-Merholz über Visionen für Schulmodelle der Zukunft stellte die Frage nach Schulkonzepten, die sich besser an die Veränderungen unserer Zeit anpassen und Schüler:innen erfolgreicher fördern können. Anschließend wurden in der Evangelischen Schule Berlin Zentrum Workshops und Raum für Beratung, zum Beispiel zu Umsetzungsplänen hin zu einer innovativen Oberstufe, angeboten.  

Visionen mit Praxisbeispielen unterfüttern 

Über dreißig Workshops, die insbesondere von Schulpraktiker:innen angeboten wurden, veranschaulichten die Visionen der Potsdamer Erklärung anhand konkreter Beispiele praxisnah. So wurden Themen wie selbstgesteuertes Lernen (Konzept SegeL), die digitale Drehtür zur individuellen Förderung oder „Abitur und Gesellenbrief“ in den Workshops vertieft. Darüber hinaus wurden Fragen zur praktischen Umsetzung von und Erfahrungen mit „Deeper Learning“ und alternativen Lernformaten wie den „Pulsaren“ erörtert. Die Pulsare ermöglichen fächerverbindendes Lernen im Wochenrhythmus, bei dem Schüler:innen komplexe Zusammenhänge erforschen können. So werden Kompetenzen und Inhalte der Rahmenlehrpläne interdisziplinär verknüpft.  

Tagungseindrücke „Mut haben und loslegen“ 

Eine wichtige Erkenntnis, die die Teilnehmenden von der Tagung mitgenommen haben, war, dass es zunächst Mut braucht, um Veränderungen im Schulsystem voranzutreiben. Es wurde betont, dass es darauf ankomme, die ersten Schritte zu wagen und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung an den Schulen einzuleiten, damit der Wunsch nach Innovation und einem zukunftsfähigen Abitur Realität werden kann. 

Die Teilnehmenden wurden zum Schluss der Tagung gebeten, Feedback zur Tagung zu geben und schriftlich festzuhalten, was sie an der Tagung besonders spannend fanden, neugelernt haben oder konkret an der eigenen Schule umsetzen wollen. Hier finden Sie einige ausgewählte Zitate:  

  • Prüfungskultur verändern heißt Schule verändern – egal in welcher Schulform.  
  • Wir sollten mehr in der Praxis ausprobieren und die Fächergrenzen endlich auflösen. 
  • Ich möchte bei meinen Lehrerkolleg:innen die Begeisterung dafür wecken, das „Deeper Learning“-Konzept auszuprobieren. 
  • Pulsare bieten eine sehr gute Möglichkeit, sinnstiftendes Lernen zu ermöglichen. 
  • Die “Digitale Drehtür” ist ein tolles Konzept, was mich dazu angeregt hat über die Art der Notengebung nachzudenken. 

Ein Appell in den Workshops und Diskussionsforen war zudem, vermeintliche Grenzen im Schulsystem zu hinterfragen, denn oftmals sind mehr Veränderungen möglich, als zunächst von vielen Lehrkräften angenommen wird. Auch an Gymnasien sind schon jetzt viele alternative Lernformen möglich, das hat der Innovationskongress verdeutlicht. Die Tagung wurde als äußerst inspirierend empfunden und es wurde eindringlich der Wunsch geäußert, diese Veranstaltung zu wiederholen, um den Austausch von Ideen und Erfahrungen zu verändertem Lernen und Prüfen weiter zu fördern. Erfreulicherweise gibt es auch positive Entwicklungen auf politischer Ebene, denn in verschiedenen Bundesländern besteht großes Interesse, Öffnungen in Richtung eines zukunftsfähigen Abiturs in den Oberstufenverordnungen zu integrieren. In Hamburg beispielsweise sind in den Wahlprogrammen zweier Parteien für die Bürgerschaftswahlen explizite Verweise auf Inhalte der Potsdamer Erklärung vorhanden. Um diese Fortschritte zu unterstützen und nachhaltig zu gestalten, ist es auch für uns als Bündnis für ein zukunftsfähiges Abitur nun umso wichtiger, weiter aktiv zu bleiben und die Debatte um eine zeitgemäße Lern- und Prüfungskultur weiter zu befördern.  

Nach dem Kongress ist vor dem Kongress   

Den Veranstaltenden und Teilnehmenden ist nun klar: Der Innovationskongress Oberstufe 2024 war der Auftakt für einen unumkehrbaren Prozess. Wir sind viele, die Neues wagen wollen und Mut haben, Innovation ins deutsche Schulsystem zu bringen – mit viel Energie und Leidenschaft.  Am 15. und 16. September 2026 soll es wieder einen Kongress in Berlin geben, dieses Mal mit Raum für möglichst 500 Personen. Bis dahin finden regelmäßige Online-Werkstätten mit konkreten Ideen zur Umsetzung statt (www.buendnis-zukunft-abitur.de/aktuelles ). Unabhängig davon sind wir im Gespräch mit vielen Schulen und Kultusministerien, um sie bei der Umsetzung von Innovationsimpulsen zu unterstützen. Bereits am Freitag, den 21. März 2025, gibt es zum Beispiel den Innovationskongress G neu(n) in Reutlingen, Baden-Württemberg, zu dem man sich noch anmelden kann.   

Auch wenn es dicke Bretter zu bohren gilt: Wir bleiben dran. Wir werden Innovationsimpulse setzen, bündeln und weitertragen. Neue Konzepte werden wir verbreiten und zu einem zukunftsfähigen Schulsystem und einem modernen Abitur in Deutschland beitragen – zum Wohle unserer Schüler:innen und der Gesellschaft.  

 


Danksagung 

Der Evangelischen Schule Berlin Zentrum danken wir für ihre herausragende Gastfreundschaft als Veranstaltungsort und das engagierte Mitwirken von Schulleitung, Lehrkräften und Schüler:innen. Ein besonderer Dank gilt der Bertelsmann Stiftung und der Robert Bosch Stiftung, ohne deren großzügige Unterstützung der Kongress nicht möglich gewesen wäre. Aber auch die Förderung der Dieter Schwarz Stiftung und der Firma Heinrich Schmid trugen wesentlich zum Gelingen bei. 

 

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